Für Kitas statt Betreuungsgeld!
Zurück bis tief ins letzte Jahrhundert: Die Christsozialen wollen mit der Einführung des Betreuungsgeld ein altes Mann-Frau-Rollenmuster wiederbeleben und einzementieren. Die CDU geht diesen Weg mit, er kostet den Bund 2 Milliarden Euro.
In NRW könnten mit dem Geld 25.000 Kita-Plätze entstehen!
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin und SPD-Vize Hannelore Kraft bezifferte die „Reparaturkosten“ für unzureichende Bildungssysteme alleine für ihr Bundesland auf über 23 Milliarden Euro pro Jahr. „Das sind Kosten, die anfallen, weil wir nicht gut genug bei Bildung sind, nicht gut genug bei Betreuung sind und nicht gut genug dabei sind, frühe Hilfen für Eltern aufzubauen“, sagte sie. Zum Artikel auf derWesten.de »
Interview mit Manuela Schwesig zum Einsatz der SPD
spd.de: Die Bundesregierung plant mit dem Betreuungsgeld eine weitere familienpolitische Leistung. Warum startet die SPD jetzt eine Kampagne?
Manuela Schwesig: Hinter dem warmherzigen Begriff Betreuungsgeld steckt in Wirklichkeit eine kalte Fernhalteprämie. Sie hält Kinder von frühkindlicher Bildung und Frauen von ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt fern. Das ist der absolut falsche Weg. Die zwei Milliarden Euro, die dafür jährlich nötig wären, müssen stattdessen in den Aufbau von guten Betreuungsplätzen investiert werden. Die Bundesregierung will sich aber mit der Fernhalteprämie billig aus ihrer Verantwortung ziehen: 100 Euro Fernhalteprämie statt 1000 Euro für einen Kitaplatz. Die Leidtragenden wären vor allem die Kinder. Gegen diese falsche Politik machen wir mit unserer Kampagne mobil – und wir wissen dabei die Mehrheit der Menschen auf unserer Seite. Das Interview auf SPD.de lesen »
Hintergrund
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungspartner die Einführung eines Betreuungsgeldes vereinbart. CDU und FDP haben sich damit dem Druck der CSU gebeugt.
„Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden“, heißt es wörtlich Koalitionsvertrag (Seite 68). Voraussetzung für die Prämie ist, dass Eltern für ihr Kind keinen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen.
Inzwischen wissen auch zahlreiche Politikerinnen und Politiker von CDU und FDP, dass die Vereinbarung keinen Sinn macht. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt wegen des koalitionsinternen Streits noch nicht vor. Nach den derzeitigen Plänen soll im Jahr 2013 mit einer Prämie von 100 Euro gestartet werden, ab 2014 sollen es dann 150 Euro sein.
Was kostet die Kita-„Fernhalteprämie?
Die exakte Belastung des Bundeshaushalts ist schwer zu kalkulieren. Denn niemand weiß, wie viele Eltern wegen der Prämie ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Die Bundesregierung geht von 400 Millionen Euro im ersten Jahr und ab 2014 von dann jährlich 1,2 Milliarden Euro aus.
Von deutlich höheren Kosten gehen allerdings Experten aus: Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung rechnet mit 1,9 Milliarden Euro bereits 2013. Auch das Institut der Wirtschaft kalkuliert jährlich rund 2 Milliarden Euro.
Und was hat das mit dem Kita-Ausbau zu tun?
In Zeiten knapper Kassen und notwendiger Haushaltssanierung kann jeder Euro eben nur einmal ausgegeben werden. Ab 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder unter drei Jahren. Darum haben Bund und Länder vereinbart, bis dahin 750.000 Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen – ein Angebot für 35 Prozent der unter Dreijährigen. Ob das ausreicht, bleibt offen. Kritiker gehen von einem deutlich höheren Bedarf aus.
Aber auch dieses Ausbauziel ist längst nicht erreicht. Derzeit können lediglich 25,4 Prozent (Stand März 2011) der Kinder unter Drei eine Kita besuchen. Es fehlen also noch rund 233.000 Plätze.
Dabei gibt es im deutschlandweit große Unterschiede. Während in Ostdeutschland die Betreuungssituation durchweg gut ist, steht in Westdeutschland durchschnittlich nur für jedes fünfte Kind ein Platz zur Verfügung.
Die SPD geht internen Berechnungen zufolge davon aus, dass für die 2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld vermutlich kosten wird, 166.000 zusätzliche Betreuungsplätze finanziert werden könnten. Das Institut der Wirtschaft rechnet sogar mit 200.000.
Was wollen die Menschen?
Eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland lehnt das Betreuungsgeld ab. Laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins „Focus“ wollen 76 Prozent der Befragten, dass das Geld besser in den Betreuungsausbau gesteckt wird.
Aber vielleicht ist ja der frühe Kita-Besuch schlecht für die Entwicklung des Kindes?
Nach dem aktuellen Stand der pädagogischen Forschung fördert die frühkindliche Bildung kognitive Kompetenzen, die Sprachentwicklung und soziales Verhalten. Kritiker befürchten, dass vor allem einkommensschwache Eltern das Betreuungsgeld wählen als ein Betreuungsangebot. Dabei könnten gerade ihre Kinder besonders davon profitieren.
Dafür spricht auch der Familienreport 2011, gestützt auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung: Demnach erhöht sich für Kinder die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, wenn sie auch in der Krippe waren – von durchschnittlich 36 auf rund 50 Prozent. Bei so genannten benachteiligten Kindern ist die Wahrscheinlichkeit sogar um zwei Drittel höher!
Und was ist mit den Eltern?
Elternteile, die mehrere Jahre aus dem Beruf aussteigen, um ausschließlich ihre Kinder zu betreuen, müssen diese Auszeit oft mit beruflichen Nachteilen oder sozialem Abstieg bezahlen. Da dies meistens Frauen betrifft, wird die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zementiert.
Weiterführende Informationen
Themenseite: Kitas statt Betreuungsgeld »
Abstimmung: Wie soll der Staat die geplanten 2 Milliarden Euro pro Jahr besser investieren? »