Zwangsouting in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag wird ein hochsensibles Thema aufgegriffen. Die Anregung zu diesem Thema stammt – das sollte hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden – von der Aidshilfe NRW. Eine grundsätzliche Frage, die wir diskutieren: Wie gehen wir in den Gefängnissen mit den HIV Infizierten um?
Die Frage des Umgangs mit Infizierten bleibt aber auch außerhalb des Vollzugs ein ständiges Thema. Das zeigt auch sehr eindrucksvoll die aktuelle Kampagne der Aidshilfe, bei der Infizierte als Testimonial in Alltagssituationen auftreten und für den Abbau von Vorurteilen werben. Nicht erst seit dem Antrag der FDP sprechen wir in unserem Rechtsarbeitskreis über die Fragen des Umgangs mit Infizierten in den Gefängnissen in Nordrhein-Westfalen. Wie wird derzeit Aids- und Drogenberatung organisiert? Wie erfolgt die medizinische Behandlung von Infizierten?
Das sind nur einige Frage, die wir uns auch schon gestellt haben. Ich rege an, diese Diskussion in einem sachlichen Umfeld zu führen. Ich meine, dabei ist die Verwendung des Begriffs „Zwangsouting“ vielleicht nicht wirklich hilfreich. Ich will nicht bestreiten, dass sich bei einer Regelung aus dem Jahr 1988 die Frage stellen muss, ob die bisherige Praxis noch immer zeitgemäß ist. Die medizinische und wissenschaftliche Entwicklung zum HI-Virus hat sich seit den 1980er-Jahren deutlich geändert. Nicht zuletzt der Beginn erfolgreicher antiviraler Medikationen seit Mitte der 1990er-Jahre hat glücklicherweise dazu beigetragen. Die Lebenserwartung steigt, und somit stellen sich nun immer wieder auch alltägliche Fragen für Infizierte, eben auch in den Gefängnissen. Die Übertragungswege des Virus sind heute deutlich bekannter. Auch dass eine Übertragung mit anderen Viren leichter möglich ist, gehört heute wohl zum Allgemeinwissen. Ein wirksamer Schutz kann generell nur die Vermeidung von erhöhten Übertragungsrisiken sein. Und der künftige Schwerpunkt sollte auf der Vermeidung dieser Risiken und auf einer zeitgemäßen Aufklärung liegen. Wir sollten in der weiteren Diskussion im Ausschuss genauer betrachten, wer betroffen ist, wie die Betroffenen empfinden, wie die praktische Erfahrung in den Justizvollzugsanstalten und die Praxis in den anderen Bundesländern ist.
Dabei sollten wir aber auch die Sorgen der nichtinfizierten Gefangenen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug im Blick habe. Herr Giebels, Sie haben das angesprochen. Dafür lässt sich meiner Meinung nach mit einer aktuelleren Aufklärung sorgen. Was Sie vorgetragen haben, zeugt eher von wenig Fachwissen und wenig intensiver Beschäftigung mit dieser Thematik. (Armin Laschet [CDU]: Beschäftigen Sie sich mal mit dem Alter in der JVA!) Sie sehen, Herr Giebels – und da sind wir uns wohl einig –, wir brauchen in dieser Debatte, wenn wir sie wirklich sachlich und fachlich führen wollen, im Rechts- und auch im Gesundheitsausschuss fachliche Unterstützung von außen; alleine werden wir das nicht meistern können.
Einen Vorwurf in dem Antrag der FDP muss ich doch deutlich zurückweisen, nämlich den Vorwurf, die Regelung verstieße gegen die ärztliche Schweigepflicht oder Vorschriften des Strafrechts. Es gibt für die Weitergabe von Informationen über Krankheiten der Gefangenen eine konkrete gesetzliche Grundlage im Strafvollzugsgesetz, die ein solches Verhalten erlaubt. Und dieser Punkt geht deutlich über das Ziel hinaus. Im Ergebnis halte ich fest: Lassen Sie uns gemeinsam die bisherigen Regelungen überdenken. Das Ziel muss sein, die Ausbreitung dieser und auch anderer Krankheiten nach dem jeweils aktuellen Stand der Medizin zu verhindern und dabei die Rechte der einzelnen Betroffenen zu wahren. – Ich danke Ihnen. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der LINKEN)