Weitere Stolpersteine in Remscheid verlegt
Auf Initiative von Frieder Backhaus und Ilse Faeskorn wurde 2005 die Aktion STOLPERSTEINE gegen das Vergessen“ ins Leben gerufen. In den zurückliegenden Jahren wurden in Remscheid 168 STOLPERSTEINE zur Erinnerung an Verfolgte und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gesetzt. Am 07. Oktober wurden unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz zwölf weitere STOLPERSTEINE an zehn Stellen im Stadtgebiet gesetzt. Darunter auch erstmals Stolpersteine für verfolgte Homosexuelle.
„Es ist mir ein besonderes Anliegen diese Aktion persönlich zu unterstützen, daher habe ich gemeinsam mit dem Remscheider Stadtkämmerer Sven Wiertz die Patenschaft für den Stolperstein zur Erinnerung an Max Penz übernommen. Max Penz wurde wegen seiner Homosexualität vom NS-Regime verfolgt und getötet. Wir dürfen nicht nachlassen an diese Verfolgungen zu erinnern. Besonders, da auch in den frühen Jahren des Bundesrepublik Homosexuelle in Deutschland verfolgt und bestraft wurden, nur weil sie die „falsche“ Person liebten. Ich hoffe, dass der Bundestags bald über den Vorschlag des Bundesjustizministers Heiko Maas entscheidet und diese falschen Urteile auch nach 1945 aufheben wird. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wo noch genügend überlebende von ihrer Verfolgung berichten können und wir ihnen die Hand zur Entschuldigung reichen können“ so der Landtagsabgeordnete Sven Wolf.
Die Stadt Remscheid hat die bisher verlegten Stolpersteine im Geodatenportal dokumentiert. Aus der Pressemeldung der Stadt Remscheid ergeben sich weitere Informationen zu Max Penz, zu dessen Erinnerung nun in der Ahornstraße 2 ein Stolperstein verlegt wurde.
Max Penz
„Max Penz, geboren am 3. Juli 1899 in Remscheid, Arbeiter von Beruf, wohnhaft Ahornstr. 2 in Remscheid. Deportation in das KZ Sachsenhausen bei Berlin, dort Opfer einer gezielten Mordaktion gegen Homosexuelle im Sommer 1942, bei der allein im Juli und August mindestens 95 namentlich bekannte Männer umgebracht wurden. Angebliche Todesursache „Kopfschuss bei Fluchtversuch“, Tod am 16. Juli 1942.
Max Penz kam in Remscheid in der Fischerstraße als jüngstes Kind des Tagelöhners Gustav Herrmann Penz (geb. Remscheid 1862) und seiner Ehefrau Anna Johanna Penz, geborene Lippelt (geb. in Essen 1862), am 3. Juli 1899 zur Welt. Vater Penz war evangelisch, seine Ehefrau katholisch. Die Kinder wurden evangelisch getauft. Die Eheleute Penz, die im Juni 1883 in Remscheid heirateten, hatten außer Max sieben weitere Kinder, die ebenfalls alle in Remscheid geboren wurden. Die Wohnungen der Familie lagen nacheinander im Rosenhügel, in der Nordstraße, in der Bismarckstraße und der Fischerstraße. Von Max Penz sind keine persönlichen Dokumente überliefert, lediglich in der Geburtsurkunde ist der Eintrag zum Sterbeort zu finden:
Wann erstmals und weshalb gegen Max Penz durch Polizei oder Gestapo ermittelt wurde, ist unbekannt. Fest steht jedoch, dass er in das KZ Sachsenhausen bei Berlin deportiert wurde und dort am 17.5.1942 zum Häftling Nr. 42331 gemacht wurde. In Sachsenhausen wurde er dem bei den Häftlingen gefürchteten Strafkommando im Außenlager Großziegelwerk (GZW) zugewiesen. Nur durch die mutigen, unter Lebensgefahr gemachten heimlichen Aufzeichnungen von Namenslisten und Beobachtungen des Sachsenhausen-Häftlings Emil Büge wissen wir, dass im Sommer 1942 in dem KZ eine gezielte Mordaktion gegen Homosexuelle stattfand. Dabei wurden allein im Juli 1942 insgesamt 82 namentlich bekannte Männer ermordet. Auf dieser Liste findet sich auch Max Penz als sogenannter „175er“ – aber auch zahlreiche andere Männer aus dem Ruhrgebiet und angrenzenden Regionen und ganz Deutschland werden Opfer dieser Mordaktion, darunter Otto Meinecke, geb. 1880, aus Dortmund („Kopfschuss bei Fluchtversuch, 13. Juli 1942), Werner Bangert, geb. 1917, aus Duisburg („Lungenentzündung“, 17. Juli 1942, Heinrich Wahle aus Bochum („Kopfschuss bei Fluchtversuch“, 13. Juli 1942) oder Paul Paetzel, geb. 1916, aus Wuppertal („Herz‐ und Kreislaufschwäche bei Grundleiden Ruhr“, 17. Juli 1942). Vielen dieser Männer war die Bezeichnung „BV“ (Berufsverbrecher) mit dem Zusatz „175“, also „BV175“, angeheftet, im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten hatten sie „mehr als einen Mann verführt“. Der SS‐Reichsführer Heinrich Himmler hatte dazu am 12. Juli 1940 pauschal bestimmt: „Ich ersuche, in Zukunft Homosexuelle, die mehr als einen Partner verführt haben, nach der Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugehaft zu nehmen.“ Dieser Befehl hatte zur Folge, dass diejenigen, die ihre Strafe wegen ihrer Liebe zu einem Mann verbüßt hatten, nicht entlassen wurden, sondern unmittelbar in ein KZ deportiert wurden, wo sie als „Vorbeugehäftlinge“ nicht mehr entlassen wurden, sondern meist zu Tode kamen. So auch Max Penz. Die überlieferte Sterbeurkunde aus Sachsenhausen (Standesamt Oranienburg Nr. 2077/42) nennt als Todesursache:
Hinter dieser Angabe „Schussverletzung bei Fluchtversucht“ verbarg sich regelmäßig eine beliebte Mordmethode der SS, von der viele Häftlinge berichteten, und zwar eine von den SS‐Wachmannschaften der Konzentrationslager inszenierte und gezielte Tötung von Gefangenen unter verschiedensten Vorwänden.
Max Penz wurde nur 43 Jahre alt.
Max Penz war einer von mehreren Tausend Männern, die während der NS‐Zeit wegen Homosexualität verfolgt wurden und die, die Verhöre, Folterungen, Zwangskastrationen, Gefängnis, Zuchthaus und KZ‐Deportationen oder Verbringung in Euthanasie‐Anstalten oder den sozialen Tod im beruflichen und privaten Umfeld durch ein „Outing“ im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung nicht überlebten. Diejenigen Homosexuellen, die die NS-Zeit und/oder KZ überlebten, wurden nach dem 8. Mai 1945 weiter verfolgt. Der Strafrechtsparagraph 175 bestand in Westdeutschland in der verschärften Nazifassung bis 1969. Trotz heftigster Attacken von Seiten der katholischen Kirche leitete 1968 der damalige Justizminister und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann die Reform des Paragraphen ein. Erst seit 1994 ‐ als Folge der Wiedervereinigung ‐ werden homosexuelle Männer in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt: Der Paragraph 175 wurde gestrichen. Bis heute, im Jahr 2015, sind allerdings die Urteile, die zwischen 1945 und 1969 nach dem Naziparagraphen 175 gefällt wurden, nicht aufgehoben. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den Urteilen nach 1945 schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen. Auch eine Entschädigung der Opfer ist nicht erfolgt. Die Bundesregierung hat Mitte September 2016 erklärt noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, beraten und beschließen zu lassen, um die Opfer zu rehabilitieren.“
Sven Wolf: „Besonders danke ich Jürgen Wenke, der in akribischer Arbeit das Schicksal von Max Penz recherchiert und sich für die Setzung eines Stolpersteines eingesetzt hat. Gerne habe ich diese Arbeit unterstützt.“