Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte verdienen den besonderen Schutz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich in dieser Debatte ein wenig auf die rechtlichen Aspekte Ihres Antrags eingehen. Zunächst, Herr Kruse, begrüße ich sehr, dass wir im Rechtsausschuss noch einmal im Detail darüber diskutieren können. Wir beschäftigen uns erneut mit einem Thema, das eigentlich in den Bund gehört. Denn dort liegt die Gesetzgebungskompetenz.
Dennoch sind wir aufgerufen, die Initiative zu ergreifen, wenn es die Situation von Beschäftigten des Landes und der Kommunen betrifft. Bei diesen Fragen des Schutzes nicht nur von Polizisten und Feuerwehrleuten sind wir vielleicht manchmal etwas näher am Thema dran als unsere Kollegen im Bundestag. Wir alle gemeinsam haben als Legislative mit Sicherheit die Aufgabe, an der Seite derjenigen zu stehen, die bei Ausführung unserer Gesetze im wahrsten Sinne des Wortes ihre Knochen hinhalten.
Das, meine Damen und Herren, verdient Respekt. (Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD]) Die weitere Diskussion wird zeigen, ob dies mit Ihrem Vorschlag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, gelingen kann. Das in Ihrem Antrag skizzierte Ziel ist grundsätzlich zu begrüßen. Ihr Antrag teilt sich in zwei Abschnitte: Der erste Teil Ihres Antrags beschäftigt sich mit Ideen rund um den bestehenden § 113 Strafgesetzbuch: Widerstand gegen Vollstreckungsmaßnahmen. Die Innenministerkonferenz hat im Mai besorgt auf die steigende Zahl von Übergriffen gegen Polizisten reagiert, und der Bundesrat hat sich bereits in einer Gesetzesinitiative an dieses Problem gemacht. Ferner gibt es – das wissen Sie – einen Entwurf der Bundesjustizministerin zu diesem Thema. Sie sehen, dieses Thema ist auf der Bundesebene schon angekommen und wird dort schon diskutiert. Wenn man die bereits vorhandenen Entwürfe zusammenfasst, geht es zum einen darum, den Strafrahmen auf bis zu drei Jahre zu erweitern und damit an die Nötigung anzupassen. Zum Zweiten geht es darum, den Schutzbereich des § 113 um Hilfeleistende der Feuerwehr und Rettungskräfte zu erweitern. Die Strafbarkeitslücken im Bezug auf den Begriff „Waffe“ sollen ebenfalls geschlossen werden. Sie sehen also, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, der erste Teil Ihres Antrags befindet sich zumindest auf der Bundesebene bereits in der Umsetzung.
Es bliebe zu fragen, ob Sie Bedenken haben, dass Ihr liberaler Koalitionspartner auf Bundesebene das alles mitträgt. Die CDU-Bundestagsfraktion kritisierte zuletzt noch im April den aktuellen Entwurf des Bundesjustizministeriums als nicht weitgehend genug und forderte stattdessen eine Strafverschärfung auf über vier Jahre, also noch etwas mehr, als Sie heute mit Ihrem Antrag formulieren. Die Diskussion hier im Landtag führen wir stellvertretend für den Bundesgesetzgeber. Wir sollten sie aber nicht nutzen, um hier einen Stellvertreterstreit zu führen. Machen Sie bitte den Rechtsausschuss des Landtags nicht zu Ihrem Koalitionsausschuss der schwarz-gelben Bundesregierung, verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Ich bin mir aber ganz sicher, dass Kollege Dr. Orth als Vorsitzender des Rechtsausschusses das auch nicht zulassen wird. (Allgemeine Heiterkeit) Wir haben übrigens unsere Meinung, die ich hier vertreten darf, mit unseren Kollegen der Bundestagsfraktion abgestimmt. Im Zwischenergebnis streiten Sie also darüber, ob drei oder vier Jahre Straferweiterung angemessen sind. Wir würden gerne grundsätzlich die Frage stellen: Reicht eine Strafverschärfung bei den Fällen, die wir gemeinsam bekämpfen wollen, tatsächlich aus? Wenn Sie in den Zwischenbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen „Gewalt gegen Polizisten“ schauen, gibt es darin einige interessante Thesen. Eine These: 25 % der Übergriffe finden bei der Festnahme von Tätern statt, also Personen, denen bereits eine konkrete Strafverfolgung droht. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Personen bei einem weiteren Strafrahmen von Gewalt abgeschreckt werden. Es werden zudem eher männliche als weibliche und eher jüngere als ältere Beamte Opfer von Übergriffen. Es wäre interessant zu fragen: Was machen die älteren und was machen die weiblichen Kollegen bei der Polizei anders? Gibt es eine Strategie der Deeskalation, die besser geeignet sein kann als eine Strafverschärfung? (Zuruf von der CDU) – Das habe ich nicht gesagt. Sie müssen mir zuhören! Ich habe nur gefragt, ob es grundsätzlich eine Strategie der Deeskalation geben kann. Diese Frage beantworten Sie in diesem Antrag nicht. Ich bin gespannt darauf, wie wir diese Diskussion im Rechtsausschuss führen werden.
Der erste Zwischenbericht aus Niedersachsen kommt übrigens zu keinem Ergebnis, was die Präventionsmaßnahmen angeht. Die Frage wird noch offen gelassen. Ich hoffe, dass wir den abschließenden Bericht aus Niedersachsen vorliegen haben, wenn wir das im Rechtsausschuss diskutieren. Der Zwischenbericht sagt auch nichts dazu, ob es tatsächlich zu mehr Gewalt gegen Helfer gekommen ist. Es ist klar, es geht nur um die Gewalt gegen Polizei. Hierzu gibt es, soweit ich informiert bin, leider noch wenig belastbare Zahlen. Auch hier wäre zunächst eine weitere Analyse hilfreich. Lassen Sie uns das Gespräch mit den Feuerwehrleuten und Rettungskräften suchen. Die haben mit Sicherheit auch eine sehr dezidierte Meinung, die wir uns anhören können. Grundsätzlich sehe ich zu diesem ersten Abschnitt Ihres Antrags keine unüberwindlichen Gegensätze. Ich gehe auch davon aus, dass Herr Minister Kutschaty für die Landesregierung diese Diskussion konstruktiv und sachlich begleiten wird. Beim zweiten Teil Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, also bei den Ziffern 2 und 4, wird es deutlich schwieriger. Sie fordern einen ganz neuen Tatbestand, nämlich den § 115 Strafgesetzbuch, beschrieben als „Tätlicher Angriff auf Amtsträger“. Mir drängen sich da einige rechtssystematische Fragen auf: Sie schaffen mit dem neuen § 115 Strafgesetzbuch eine Verdoppelung der Tatbestände; § 113 Strafgesetzbuch soll ja unverändert fortbestehen. Es wird also häufig Fälle geben, die beiden Tatbeständen unterfallen, und nur selten Fälle, die in die Lücke fallen. Problematisch erscheint mir zudem Ihr Vorschlag, den Schutzbereich über konkrete Vollstreckungsmaßnahmen hinaus auszudehnen. Ihr Formulierungsvorschlag lautet – ich zitiere –: „Wer einen Amtsträger … in engem Zusammenhang mit dem Dienst tätlich angreift, wird … bestraft.“ Dies erfasst eine unzählige Fülle von Beispielen. Damit wäre beinahe jede Tat gegen einen Amtsträger auch von diesem neuen Tatbestand erfasst. Mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz sehe ich die Möglichkeit zur Strafausweitung als begrenzt an, meine Damen und Herren von der CDU. Es gäbe nämlich zwei Kategorien von Opfern: zum einen die Amtsträger und zum anderen die übrigen Opfer – und das, obwohl der konkrete Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bereits unter Strafe gestellt ist. Sie schaffen zudem einen völlig unbestimmten Rechtsbegriff, der im Strafrecht ungeeignet und vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes eher bedenklich ist. Oder wie meinen Sie den Begriff „in engem Zusammenhang mit dem Dienst“? Darüber können wir wahrscheinlich schon jetzt heftig diskutieren. Lassen Sie mich noch kurz darauf hinweisen, dass es in § 113 Abs. 4 Strafgesetzbuch eine Ausnahmeregelung für Täter gibt, die irrig annehmen, sie seien einer rechtswidrigen Vollstreckung ausgesetzt. Wie wollen Sie diese Idee auf den neuen § 115 Strafgesetzbuch übertragen? Dazu schweigen Sie sich aus. Mit Sicherheit wird das noch eine sehr spannende Diskussion.
Vielleicht können Sie unsere Zustimmung aber dazu bekommen, dass Sie den Begriff „Amtsträger“ sehr weit fassen. Denn es gibt mit Sicherheit nicht nur bei der Feuerwehr und bei der Polizei, sondern auch in zahlreichen Behörden Personen, die Opfer von Gewalttaten werden. Aber bevor man das mit einer Strafverschärfung angeht, braucht man belastbare Zahlen dazu, wie Gewalt in diesen Fällen verhindert werden kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verurteilen Gewalt gegen Personen generell. Das muss sich auch im Strafrecht deutlich widerspiegeln, damit wir einer gewaltfreien Gesellschaft näherkommen. Besonders Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte verurteilen wir. Lassen Sie uns besonnen und sachlich über die Möglichkeiten und dieses sehr sensible Thema diskutieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu Ihrer Jungfernrede.