Neue Mitte Honsberg: „Zivilcourage entsteht aus einer Überzeugung für Werte!“

„Wir reden heute über ein Projekt, das nicht in einem politischen Arbeitskreis entwickelt oder am Zeichentisch eines Architekten entworfen wurde. Wir reden heute über ein Projekt, das von engagierten Bürgerinnen und Bürgern zum Leben erweckt wurde. Ein Projekt, das gelebt wird. Was geschah? Vor rund vier Jahren musste das Presbyterium der Stadtkirchengemeinde einen schweren Beschluss fassen. Der Kirchenhaushalt war nicht mehr ausgeglichen. Ausgaben waren zu reduzieren. Ausgaben bedeuten stets Aufgaben. Alles in allem also keine einfache oder angenehme Situation. Eine Situation, die uns hier im Rat nicht ganz fremd ist. Die Kirchengemeine beschloss, sich nach Jahrzehnten vom Honsberger Gemeindehaus zu trennen. Mit der Zurruhesetzung des Pfarrers und der Küsterin sollte auch das Gemeindehaus seine Türen für immer schließen.

Was aber geschah dann? Die Kirchengemeinde hatte die Rechnung ohne die Honsbergerinnen und Honsberger gemacht. Aus anfänglichem Protest entwickelte sich mit der Zeit eine Idee. Die Idee, das Gemeindehaus zu erhalten oder gar etwas Neues für den Honsberg zu schaffen. Das alles war unerwartet. Rechneten doch nur wenige mit einer Reaktion im Stadtteil. Insgeheim dachten viele, der Honsberg hat Geschichte – eine lange Tradition – aber durch Abwanderung und Segregation wohl auch kaum noch Zukunft. Manche hatten diesen Stadtteil schon aufgegeben und abgeschrieben. Sie irrten. „Wutbürger“ gibt es nicht nur in „gutbürgerlichen“ Stadtteilen. Vor kurzem war ich zu Gast beim Aktionstag „Pro Opfer“ in der Handwerkskammer Düsseldorf. Dort wurde unter anderem die Frage diskutiert: Woher kommt Zivilcourage? Vielleicht überrascht den ein oder anderen die Antwort eines teilnehmenden Professors. Ob der Einzelne mutig für etwas eintritt hat nichts mit seinem Beruf, seinem Einkommen oder seinem Bildungsstand zu tun. Zivilcourage entsteht aus einer Überzeugung für Werte heraus. Sie entsteht immer dann, wenn das soziale Umfeld Mut fördert und Mut würdigt. Der Honsberg hat mehr Potential als man ihm zugetraut hat. Und das obgleich er mehr Probleme hat als andere Stadtquartiere in Remscheid. Abwanderung und Segregation habe ich eingangs genannt. Wir beobachteten: Wer es sich leisten konnte, zog in andere Stadtteile in neure und modernere Wohnungen. Geschäfte und Gaststätten schlossen. Die Bevölkerungsstruktur veränderte sich, der Migrantenanteil stieg. Die soziale Vielfalt drohte aus dem Honsberg zu verschwinden. Ein erschreckendes Zeichen für den drohenden Niedergang war dabei die Bauruine des ehemaligen Möbelhaus vom Stein.

Der Runde Tisch Honsberg ließ sich davon nicht beirren. Er resignierte nicht. Er tagte und arbeitete weiter. Es folgten neben der vom Verein „Stadtteil e.V.“ etablierten Stadtteilkonferenz weitere Gesprächsrunden und ein großer Wettbewerb, der den Grundgedanken der Bürger mit frischen Ideen in professioneller Begleitung bereicherte. Die Idee der „Neuen Mitte Honsberg“ war geboren. Hieraus entstand eine Gruppe verschiedener Vereine, die zunächst als Gesprächspartner dabei waren und inzwischen zu angedachten Nutzern des Hauses und nach unserem Beschluss auch zu Untermietern werden sollen. Ich will – daher ist es gut, dass die Öffentlichkeit hergestellt wurde – allen Beteiligten im Namen der SPD-Fraktion – aber auch persönlich an dieser Stelle danken. Dank an die Evangelische Stadtkirchengemeinde, die katholische Kirche, die DITIB Remscheid, Arbeiterwohlfahrt Remscheid, das Mehrgenerationenhaus Lindenhof des Stadtteil e.V. und natürlich auch den Allgemeinen Sozialdienst der Stadt und den zuständigen Dezernenten Burkhard Mast-Weisz. Gerade diese insgesamt ungewöhnliche Kombination verschiedenster Vereine hat nicht nur vor Ort für Begeisterung gesorgt. Dies hat auch uns überhaupt erst die Chance eröffnet, bei der Fülle von Anträgen auf landes-, bundes- und europäischer Ebene aufzufallen.

Besuchergruppe vom Remscheider Honsberg

Besuchergruppe vom Remscheider Honsberg

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wir haben mit der zugesagten 80-prozentigen Förderung der Gesamtkosten, den höchsten Einzelförderbescheid seit vielen Jahren bekommen. Wenn wir gleich – hoffentlich mit breiter Mehrheit – uns für dieses Projekt aussprechen, fließen nach Remscheid in den nächsten Jahren nicht nur fast fünf Millionen Euro Fördergelder. Wir würdigen mit diesem Beschluss auch das Engagement eines gesamten Stadtteils und seiner Menschen! Wichtiger Motor war von Anfang an die GEWAG. Mit Herrn Vorstand Behrendt und Herrn Prokuristen Walter sind zwei wichtige Akteure mit ins Boot geholt worden. Nicht von ungefähr. Die GEWAG hat am Honsberg den größten zusammenhängenden Wohnungsbestand in Remscheid. Es ist – man mag es mir verzeihen – also nicht ausschließlich Altruismus, der sich im Engagement der GEWAG zeigt. Es ist vielmehr, wirtschaftlicher Sachverstand der hier zum Ausdruck kommt – und das ist gut so! Die GEWAG wirtschaftet hier nachhaltig, in dem sie einem unerträglich hohem Leerstand mit der gezielten Verbesserung von Wohnumfeld und Wohnimage entgegen wirkt. Dieser Einsatz ist großartig. Eröffnet es doch unserer städtischen Tochter neue Handlungsoptionen, Perspektiven und weitere Fördermöglichkeiten.

Die GEWAG zeigt damit, dass sie auf der Höhe der Zeit ist. Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften sind wie der Deutsche Städtetag in der aktuellen Ausgabe seines Rundbriefes beschreibt, der ideale Partner für die Entwicklung von Städten. Auch im Bereich der Jugendhilfe und Präventionspolitik hat man seit längerem die Bedeutung des Wohnumfelds erkannt. Hier setzten moderne und erfolgreiche Konzepte der Jugendhilfe und frühen Hilfen für Familien an. Auch diesen Impuls erhoffen wir uns mit diesem Projekt für den Honsberg. Sie sehen also, hier sind auch auf Seiten der Stadtverwaltung ganz unterschiedliche Dezernate beteiligt. Deren gutes Zusammenspiel gelang nur durch die moderierende Art der Oberbürgermeisterin, die als gebürtige Honsbergerin ihren Stadtteil besonders gut kennt. Sie hat die Chance erkannt und die Initiative ergriffen. Herzlichen Dank!

Das Projekt wird also nicht sozial nachhaltig wirken, sondern auch ökologisch nachhaltig sein. Ohne der Rednerin von Bündnis 90 / Die Grünen vorgreifen zu wollen, möchte ich die geplante Niedrigenergiebauweise der „Neuen Mitte Honsberg“ und deren Modellcharakter für den Stadtteil nicht unerwähnt lassen. Sie sehen: hier entsteht einen Leuchtturm in vielfacher Weise: interkulturell, ökologisch und sozial. Remscheid ist damit auf der Höhe der Zeit!“