Haushalt 2011 – Einzelplan 04

Sven Wolf (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwar zur späten Stunde, aber dennoch mit einer hohen Bedeutung für das Land, reden wir über den Einzelplan 04, denn im Einzelplan 04 findet sich ein Großteil der Beschäftigten unseres Landes wieder.

Wir reden über den Haushalt 2011, Herr Giebels. Sie sprachen ja lediglich zu früheren Haushalten.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das können Sie gerne machen. Aber auf der Tagesordnung steht nun einmal der Haushalt 2011.

(Beifall von den GRÜNEN)

In der Justiz arbeiten rund 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes. Im Einzelplan 04 machen die Personalausgaben mit rund 2 Milliarden € 60 % der Gesamtausgaben aus. Zweitgrößte und feste Ausgabenposition sind die Sachkosten für die Nutzung der Gerichtsgebäude und Justizvollzugsanstalten – ein Ausgabenblock, der sich durch den Neubau von weiteren Anstalten und Gerichten im Jahre 2011 erhöhen wird. Beides sind Ausgabepositionen, die insgesamt wenig disponibel sind. Und das Urteil des Verfassungsgerichts Münster zum Nachtragshaushalt 2010 hat hieran grundsätzlich nichts geändert.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] und von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Die Maßgabe der Wirtschaftlichkeit des Haushaltes galt auch vor diesem Urteil. Und bei einer Überschreitung der Investitionskreditlinie gibt es auch -wie bisher – feste Regeln, die es in der Beratung und Abwägung hier im Landtag zu beachten gilt.

Die Folgen der wirtschaftlichen Krise finden sich aber auch im Einzelplan 04 wieder. Ich will beispielhaft die gesunkenen Einnahmen bei den Justizvollzugsanstalten im Bereich der Arbeitsverwaltung nennen.

Diese Einnahmen sind – das wissen Sie, Herr Giebels – stark  konjunkturabhängig und von der Lage auf dem freien Arbeitsmarkt abhängig.

Grundlage für die Ziele in der Rechtspolitik bildet der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus dem vergangenen Jahr.

Die Herausforderungen der Rechtspolitik lassen sich in einigen Überschriften zusammenfassen:

Wir wollen eine leistungsstarke und moderne Justiz.

Wir wollen einen sicheren und humaneren Strafvollzug und wir wollen besser früher helfen, als später zu strafen.

Unter diesen Überschriften finden sich auch die wesentlichen Änderungen im Einzelplan 04 im Jahr 2011 wieder.

Im Interesse einer effektiven und nachhaltigen Ausgabe von Steuermitteln sind motivierte und engagierte Mitarbeiter nötig. Und diese sind in vielen Bereichen der Justiz bereits vorhanden und leisten jeden Tag aufs Neue hervorragende Arbeit. Es gibt aber auch Bereiche, da wäre die Motivation deutlich höher, wenn sich die Beschäftigten nicht persönlich Sorgen um den künftigen Arbeitsplatz machen müssten – ein Problem, auf das ich häufig in meiner Arbeit angesprochen wurde.

Der Abbau von prekären Arbeitsverhältnissen in den Gerichten soll daher mit 200 zusätzlichen Stellen erreicht werden. Viele Befristungen werden beendet. Hierfür entstehen grundsätzlich auch keine neuen Kosten, da die Beschäftigten bereits da sind. Diese erhalten aber dann künftig Sicherheit -eine Sicherheit, die die Binnennachfrage verstetigen wird und auch den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen durch eine effektivere Justiz stärken wird.

Wertschätzung für geleistete Arbeit hat aber auch immer etwas mit angemessener Besoldung zu tun. Und dies gilt besonders für die Gruppe der Justizwachtmeister. Hier haben wir verbesserte Besoldungen bereits einstimmig auf den Weg gebracht.

Das Gesundheitsmanagement zur Reduzierung des Krankenstandes – Herr Giebels, Sie haben das etwas leichtfertig abgetan – ist ein wichtiges Feld, das ausgebaut werden muss. Hier lassen sich ganz konkret künftige Ausgaben für Personalkosten senken.

Bei den Sozialgerichten entfallen künftig – das ist hier aufgeführt worden, wir haben darüber diskutiert – fünf kw-Vermerke, um die Arbeitsbelastungen dort zu reduzieren. Die Amtsanwältinnen und Amtsanwälte beklagten sich zuletzt immer deutlicher über die gestiegene Belastung. Eine große Sorge ist es, geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden. Die Erhöhung der Stellen im Vorbereitungsdienst für Beamtinnen und Beamte trägt dem Rechnung.

Und auch die Prävention in Bezug auf Jugendliche findet sich im Haushalt 2011 wieder. Die Enquetekommission hat zahlreiche konkrete Vorschläge unterbreitet, mit denen für künftige Generationen immense Reparaturkosten vermieden werden können, also keine Ausgaben zu Lasten künftiger Generationen, Herr Giebels, sondern Ausgaben zur Senkung der Lasten für künftige Generationen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Und das steht eindeutig im Einklang mit dem Urteil des Verfassungsgerichts in Münster. Mit den weiteren Häusern des Jugendrechts beispielsweise, wie es das in Köln schon gibt, soll künftig

die Entwicklung von Jugendlichen zu Intensivtätern vermieden werden.

Hierfür werden jetzt zusätzlich 1 Million € investiert. Damit werden in den folgenden Jahren Ausgaben unter anderem im Bereich des Jugendstrafvollzugs entfallen.

Studien belegen – Prof. Lösel ist heute mehrfach zitiert worden -, dass sich in vielen unterschiedlichen Bereichen die modellhaften Lebenslaufkosten auf rund 1 Million € pro Einzelfall summieren. Kosten, die wir vermeiden sollten, ganz zu schweigen von den Schicksalen der Opfer, die wir vermeiden müssen und die in Geld nicht auszudrücken sind. Hierzu verweise ich auf die Antwort des „Kölner Haus des Jugendrechts“ zur Sachverständigenanhörung im März. Hierin heißt es zur Frage der Rückfallquote:

Eine weitere positive Entwicklung zeichnet sich im Bereich der mehrfach auffälligen Tatverdächtigen in der Altersgruppe der zwischen 14- und 20- Jährigen ab. Relativ betrachtet ergibt sich seit 2007 ein Rückgang um 27 0/0.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

In die gleiche Richtung gehen Maßnahmen des Übergangsmanagements im Jugendarrestbereich. Die Entlassenen sollen aus dem Arrest heraus direkt an die örtlichen Hilfesysteme weitergeleitet werden. Eine Reduzierung der Rückfallquote senkt dann auch bald Kosten im Jugendvollzug. Die Erhöhungen hier belaufen sich auf 205.000 €.

Haftvermeidung – auch dort werden durch das Vermeiden der Haftstrafen Kosten vermieden. Täterarbeit bei Taten mit häuslicher Gewalt – auch hier werden wir 349.600 € zusätzlich zur Verfügung stellen.

Die erfolgreiche Arbeit der freien Träger im Bereich der Modellprojekte zur Förderung gemeinnütziger Arbeit in Nordrhein-Westfalen bleibt ebenfalls erhalten und wird mit gleichen Mitteln in Höhe von 200.000 € fortgesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Entlassungsvorbereitungen sollen ebenfalls die Rückfallquoten durch berufliche Bildung der Gefangenen verringern. Zusätzlich hier 500.000 €.

In der Summe also eine Erhöhung um rund 1 Million €, die bereits in Kürze erste Erfolge zeigen wird. Dem Ziel der Verbesserung der Resozialisierung dient auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Vollzug. Zugleich soll dies aber auch ein klares Zeichen an die Bediensteten im Vollzug sein. Wir sehen die gute Arbeit, die dort geleistet wird, und wir erkennen diese bedeutende Arbeit für unsere Gesellschaft an.

Die rückläufigen Belegungszahlen bringen bereits seit etwa zwei Jahren eine spürbare Entlastung in den meisten Anstalten. Zudem wurde in den letzten Jahren in viele Gebäude investiert. Die ausreichende Ausstattung mit Personal kam aber dabei leider zu kurz. Wir stellen für die Arbeit im Vollzug 50 Stellen in den Fachdiensten und 150 des allgemeinen Vollzugsdienstes zur Verfügung. Wir haben hierbei die kritischen Äußerungen der Personalräte, etwa aus Aachen, sehr aufmerksam gehört. Die Ermächtigungen für die Einstellung im Vorbereitungsdienst werden deutlich erhöht, um die neuen Stellen dann auch mit gut ausgebildeten Beschäftigten zu besetzen. Es reicht eben nicht – andere Beispiele würden mir noch einfallen -, Stellen lediglich einzurichten, sondern wir müssen diese Stellen auch mit motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Justiz in Nordrhein-Westfalen moderner, gerechter und den Vollzug sicherer und humaner gestalten. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

13.04.2011