Aufnahme ehemaliger Sicherungsverwahrter in Einrichtungen des Justizvollzuges

31.03.2011
Gesetz über die vorübergehende Aufnahme ehemaliger Sicherungsverwahrter in Einrichtungen des Justizvollzuges des Landes Nordrhein-Westfalen (Sicherungsverwahrte-Aufnahmegesetz – SVAufnG NRW)
Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 15/1438 – erste Lesung

Sven Wolf (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 hat weitreichende Auswirkungen; das haben meine beiden Vorredner bereits erwähnt. Deswe-gen sprechen wir erneut über die Situation der Sicherungsverwahrten in unserem Land und – Herr Giebels, Sie haben das ausdrücklich hervorgehoben – die Sorgen und Ängste, die es diesbezüglich bei den Menschen in unserem Land gibt.

Der Bundesgesetzgeber hat zur Regelung dieser Parallelfälle das Therapieunterbringungsgesetz beschlossen und zur Anwendung an die Länder weitergegeben. Wir in Nordrhein-Westfalen gehen un-ter der kompetenten Leitung von Ministerin Steffens nun an die nicht immer leichte Umsetzung. Es bleiben aber Regelungslücken, Fälle, die nicht unter das ThUG fallen, bei denen aber trotzdem Handlungsbedarf besteht.

Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, dass wir heute über ein Gesetz reden, das die freiwillige Aufnahme in die Sicherungsverwahrung regeln soll. Das Gesetz betrifft also Menschen, die nach Abgel-tung ihrer Strafe und anschließender Sicherungsverwahrung in Freiheit sind, mit dieser Freiheit aber nicht umgehen können und selbst zurückkehren wollen. Ein facettenreiches Bild entwarf dazu ganz aktuell die 1LIVE-Plan-B-Reportage vom vergangenen Dienstag, in der die Situation von Verwahrten in der JVA Aachen dargestellt wurde – eine aus meiner Sicht sehr beklemmende Schilderung des Alltags der Verwahrten.

Die Reportage hat sehr deutlich gezeigt, welche schwierigen Persönlichkeiten da betroffen sind. Es scheint bei diesen Personen durchaus vorstellbar, dass sie Probleme im Umgang mit Freiheit haben. Solche Fälle – Minister Kutschaty hat es beschrieben – sind auch schon vorgekommen. Die Verwahrten fallen jedoch wieder einmal durch das Raster der bisherigen Regelungen. Für andere Bereiche gibt es Ermächtigungen zur Wiederauf-nahme, nämlich im Strafvollzugs- und Jugendstraf-vollzugsgesetz. In diese Bereiche gehören die Verwahrten ja aber gerade nicht.

Auf der anderen Seite unserer Überlegungen stehen der Schutz der Allgemeinheit und die Sorgen der Öffentlichkeit. Es wird daher wohl niemand bestreiten, dass dem Wunsch zur Aufnahme und damit der Abwehr weiterer Gefahren entsprochen werden soll. Die Anstalten, die dies nun machen, brauchen dafür aber dringend eine rechtsverbindliche Grundlage. Es soll für die Anstalten daher eine Rechtsgrundlage entstehen, die bei Kriseninterventionen greift.

Es geht also um solche Fälle, in denen eine vorübergehende Intervention möglich sein muss. Es geht zum einen um solche Fälle, die überhaupt nicht vom ThUG erfasst werden, bei denen eine fortgesetzte Unterbringung nach dem neuen ThUG also gar nicht möglich ist, Gefahren aber weiterhin bestehen und daher polizeiliche Überwachungen stattfinden.

Zum anderen geht es um die Fälle, die nicht der engmaschigen polizeilichen Überwachung unterliegen, da keine konkrete Gefahr anzunehmen ist. In einer Krise kann diese Gefahreneinschätzung aber umschlagen. Erkennt der ehemalige Verwahrte dies dann selbst, wäre es aus meiner Sicht fatal, ehemalige Verwahrte unter Hinweis auf eine fehlende Regelung zurückzuweisen.

Die Anzahl der Fälle, die von dieser Regelung erfasst werden, wird durchaus überschaubar im zweistelligen Bereich liegen. Das ergibt sich bereits aus der relativ überschaubaren Anzahl der Fälle der Sicherungsverwahrung in unserem Land.

Im Ergebnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir bereit, den Gesetzentwurf zu unterstützen und den Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen eine gesetzliche Grundlage zu bieten, um Verwahrte auf deren eigenen Wunsch wieder aufzunehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)